Wildkräutersalat
„Traue keinem Ort, an dem kein Unkraut wächst.“
Gundelfingen, 09.07.2019: Seit einigen Wochen bereichert ein bunter Wildkräutersalat unser Angebot Mittwochs auf dem Wiehre-Markt. Warum der nicht nur hübsch aussieht und spannend schmeckt, sondern auch äußerst gesund ist, erfahren sie in den folgenden Zeilen...
In einer jeden Gärtnerei gibt es einerseits die kultivierten Pflanzen, die für eine reiche Ernte gehegt und gepflegt werden müssen. Auf der anderen Seite sprießen auf jedem Acker auch Pflanzen, die ohne unser Zutun wachsen und gedeihen. Die Sichtweise entscheidet nun, ob es sich dabei um Unkräuter, Beikräuter, Wildkräuter, Blumen oder um Unterkünfte für Nützlinge handelt.
Am Klosterhof vertreten wir verschiedene Sichtweisen: Im kultivierten Beet sind wildwachsende Pflanzen ungewollt, sie konkurrieren mit unseren Kulturen um Nährstoffe, Wasser, Licht und Platz. Eine der Hauptaufgaben im ökologischen Gemüsebau ist daher die maschinelle und manuelle „Unkrautbekämpfung“ durch Abflammen, Hacken und Jäten.
Auf Leerbeeten, Ackerrändern und Blühstreifen wiederum nutzen wir die wild wachsenden Pflanzen als Unterkünfte für Nützlinge wie Marienkäfer, Schlupfwespen oder Bienen. Hier wägen wir wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen ab, wenn möglich lassen wir die Pflanzen ausblühen.
Wollen wir aber einen gesunden und abwechslungsreichen Salat pflücken - dann sind wild wachsende Pflanzen wahre Schätze. Ihre Vielfalt an Geschmacksrichtungen, Blütenfarben und Konsistenzen ermöglichen uns faszinierende Salatkombinationen. Bei der Zusammenstellung des Wildkräutersalates achten wir auf eine ausgewogen milde Mischung, doch es sollte auch immer etwas Spannendes mit dabei sein: ein wenig bitter, etwas pelzig, ein bisschen rau. Haben sie beispielsweise schon einmal auf ein zart stacheliges Gänsedistelblatt gebissen? Oder pelziges Knopfkraut (Franzosenkraut) zwischen den Zähnen gehabt? Auch raue, nach Gurke schmeckende Borretschblätter oder Malvenspitzen voller gesunder Schleimstoffe sind ein echtes kulinarisches Abenteuer. Grundzutaten für unsere Wildkräutersalate sind jedoch andere, mildere Vertreter der Wildkräuter: nach Mais schmeckende Vogelmiere, knackiger Portulak, an Rucola erinnerndes Hirtentäschel oder die Vitaminbombe weißer Gänsefuß mit seinem mild würzigen Geschmack. Und das Auge isst mit, deshalb gibt es eine Garnitur feiner essbarer Blüten – je näher an Johanni desto üppiger.
Doch Wildkräuter schmecken nicht nur, sind interessant und sehen hübsch aus, sie haben es auch in sich. Betrachtet man vergleichende Tabellen über Mineralstoff- und Vitamingehalte sind Wildkräuter ihren kultivierten Verwandten weit überlegen. Ein Beispiel: Nach dem Verzehr eines Wildkräutersalats aus Vogelmiere, Knopfkraut und Löwenzahn hätten sie im Vergleich zum Verzehr der gleichen Menge Kopfsalat 2,5x mehr Kalium, 2x mehr Phosphor, 3,5x mehr Magnesium, 4,8x mehr Calcium, 7x mehr Eisen, 9x mehr Vitamin C und 3,5x mehr Beta Carotin zu sich genommen. Auch den Proteingehalt betreffend liegen die Wildkräuter vorne, allen voran Giersch, Brennessel und Malve, die z.T. 10 x so viel Reineiweiß enthalten wie Kopfsalat.
Wildkräuter gelten außerdem seit Jahrhunderten als Heilkräuter. Verantwortlich für ihre heilenden Wirkungen sind wertvolle Inhaltsstoffe, von denen viele zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören, z.B. Glucosinolate, Flavonoide, Carotinoide, Saponine, Phytoöstrogene, Sulfide, Phytosterole, oder in andern Worten: Schleimstoffe, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Farbstoffe, Aromastoffe, Duftstoffe, Antioxidanzien. Die meisten bilden gesundheitsfördernde Wirkungen aus, sie senken z.B. das Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wirken blutdrucksenkend, entzündungshemmend, antibiotisch, cholesterolsenkend oder antioxidativ.
Doch wie ist das denn nun auf dem Klosterhof, wenn uns Vogelmiere, Taubnessel & Co. begegnen? Sehen wir in ihnen "Unkräuter", "nützliche Wildkräuter" oder gar "Delikatessen"? Tja, das kommt wohl ganz darauf an WEN sie WANN fragen!