Grüne Tomaten

Gundelfingen, 8.10.2019: Vielleicht kennen Sie das auch: Sie kommen vom Urlaub nach Hause und - kaum begonnen - neigt sich die Tomatensaison schon wieder dem Ende zu. Die Tage werden immer kürzer, ihre grünen Tomaten auf dem Balkon wollen einfach nicht mehr rot werden und in den Supermärkten stapeln sich die Lebkuchen als ob es keinen Herbst mehr gäbe. Doch wir haben drei wirklich gute Nachrichten für sie!

Erstens: Sie sind nicht allein! Zugegeben, dass die Tomatensaison unbedingt auf die Sommerferien fallen muss ist von Natur aus ungeschickt. Das geht jedoch vielen ähnlich und die erholsamen Urlaubstage dürften ausreichend entschädigen.
Zweitens: Es gibt ihn noch, den Herbst! Dass im September keiner Lust auf Lebkuchen hat, sich die Regale aber dennoch biegen, ist ein großes Mysterium des Einzelhandels. Doch zwischen den letzten Tomaten und dem ersten Advent erstreckt sich eine Zeit der Fülle: endlich gibt es wieder Blumenkohl, Brokkoli, Rosenkohl, Rotkohl, Sauerkraut, Spinat, Feldsalat, Asiasalat, Endivie, Radiccio, Kohlrüben, „Mairüben“, Winterrettich, Wurzelpetersilie, Gelbe Bete, Kürbis, Vulkanspargel, Rucola und vieles mehr!
Und Drittens: Es gibt viele leckere Rezepte für grüne Tomaten! Grüne Tomaten zum Ende der Saison sind ein weltweit auftretendes Phänomen, dem auf verschiedene Weise begegnet wird. Am Klosterhof ernten wir die grünen Tomaten und lassen sie an einem dunklen Ort nachreifen, um auch im September noch eigene Tomaten anbieten zu können. In anderen Ländern ist es jedoch ebenso Gang und Gäbe, die grünen Tomaten direkt zu verarbeiten. Vor allem in den Südstaaten der USA ist der Verzehr grüner Tomaten eine Selbstverständlichkeit mit langer Tradition. Doch auch in in anderen Ländern wie Österreich, Griechenland, Russland, in Osteuropa und arabisch sprechenden Staaten verarbeiten die Menschen grüne Tomaten zu Delikatessen. Über Generationen sind schmackhafte Rezepte für eingelegte, fritierte und gebackene grüne Tomaten, Eintöpfe, Chutneys, Relish, Marmelade und vieles mehr entstanden.

Die gebürtige US-Amerikanerin Katrin Dohse, Köchin beim Café Pausenraum in Freiburg-Zähringen, hat viel Erfahrung mit der Verwendung grüner Tomaten. Das folgende Rezept aus ihrer Heimat wird üblicherweise mit Gemüse zubereitet, das gegen Ende der Saison im Garten zu finden ist. Wichtig ist lediglich das Verhältnis zwischen Gemüse (4,5 kg), Essig (600ml) und Zucker (300g). Es passt gut zu allen Gerichten, zu denen auch Senfgurken oder Sauerkraut passen würden.

Doch sind grüne Tomaten nicht giftig? Wie immer kommt es auf die Dosis an. Tomaten enthalten giftige Solanum-Alkaloide. Diese sekundären Pflanzenstoffe dienen der Pflanze als Schutz vor Schädlingen und Krankheitserregern. Unreife, komplett grüne Tomaten enthalten am meisten, nämlich zwischen 9-32 mg Alkaloid/100 g Tomaten. Von den unreifen Tomaten wiederum enthalten kleine, harte, unausgewachsene Früchte am meisten Alkaloid pro Gewicht, sie können dann sogar leicht bitter schmecken. Deutlich weniger Alkaloid pro Gewicht enthalten ausgewachsene, größere grüne Tomaten. Wir gehen aus Sicherheitsgründen im Folgenden von dem ungünstigsten Wert von 32 mg Alkaloid/100 g Tomaten aus.
Erste Vergiftungserscheinungen wie Magenbeschwerden, Durchfall und Benommenheit treten ab 1 mg Alkaloid/kg Körpergewicht auf, das wären bei einem 60 kg schweren Erwachsenen 60 mg. Den ungünstigsten Wert von 32 mg Alkaloid/100 g Tomaten angenommen müsste ein Erwachsener knapp 200 g komplett grüner Tomaten verzehren, um erste Vergiftungserscheinungen zu bemerken. Lebensgefährlich wird es ab 3 mg Alkaloid/kg Körpergewicht, für unseren 60 kg schweren Erwachsenen wären das 180 mg. 32 mg Alkaloid/100 g Tomaten angenommen müsste ein Erwachsener knapp 600 g komplett grüne Tomaten verzehren, um sich lebensgefährlich zu vergiften.
Halbreife Tomaten hingegen, die sich bereits hellgrün bis gelblich verfärbt haben, enthalten nur noch 2 mg Alkaloid/100 g Tomate. Unser 60 kg schwerer Erwachsener müsste 3 kg davon verzehren, um erste Vergiftungserscheinungen zu bemerken und 9 kg, um sich lebensbedrohlich zu vergiften.
Auch reife Tomaten können noch bis zu 0,7 mg Alkaloid/100 g Tomate enthalten, unser Erwachsener müsste allerdings 8,5 kg davon verzehren, um erste Vergiftungserscheinungen zu bemerken und 25 kg um sich lebensgefärhlich zu vergiften.
Obwohl Solanin hitzebeständig und fettunlöslich ist, kann die Verarbeitung den Solaningehalt senken. Süß sauer eingelegte grüne Tomaten z.B. enthalten nur noch 90%, milchsauer eingelegte Tomaten nur noch 75% und Tomaten-Konfitüre nur noch 65% des ursprünglichen Alkaloid-Gehalts.

Fazit: Grüne Tomaten sind eine Delikatesse. Wer sich an sie heran traut entdeckt neue Esskulturen und Geschmäcker. In Deutschland haben wir wenig Erfahrung mit grünen Tomaten, in anderen Ländern hingegen werden beinahe so viel grüne wie rote Tomaten gegessen. Wie immer heißt es: die Dosis macht das Gift. Wer noch nie grüne Tomaten gegessen hat, sollte es langsam angehen lassen, um herauszufinden, wie empfindlich er oder sie auf die Alkaloide reagiert. Obigen Daten zufolge dürfte eine Portion von bis zu 100 g komplett grüner Tomaten für Erwachsene jedoch unbedenklich sein. Leicht angereifte oder halbreife Tomaten können sogar in größeren Mengen gegessen werden. Anders verhält es sich jedoch bei Kindern: für sie könnten je nach Körpergewicht schon unter 100 g grüne Tomaten gefährlich werden. Deshalb ist der Verzehr grüner Tomaten für Kindern nicht zu empfehlen.

 

Viel Spaß beim Ausprobieren und Einkochen wünscht ihr Klosterhof-Team!

 

PS: Wenn sie doch mehr auf Lebkuchen als auf grüne Tomaten stehen - in der Adventszeit haben wir handgemachte, mit Solarstrom gebackene Lebkuchen im Angebot. Etwas Geduld noch, es lohnt sich!

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